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Allgemein Pilgern Zauberhafte Erlebnisse

Wo Giuseppe allen den ersehnten Frühling bringt

„Wozu wird an Italiens Stiefelabsatz denn der Winter ausgetrieben?“ mag sich hierzulande mancher Fragen. Wer sich auf eine Reise fast an den südlichsten Zipfel Italiens begibt, der lernt schnell zu verstehen, warum. Ein eisiger Wind weht in die zu dünne Jacke. Mit Funkenfeuer hat das Winteraustreiben aber nichts zu tun, es hat kirchliche Wurzeln. Am Josefstag, dem italienischen Vatertag, wird Josef als Bräutigam der Gottesmutter gepriesen. Neben der Prozession Falo di San Giuseppe in Erchi gibt es auch rundherum im Salento allerhand zu erleben.

Zugegeben, im Sommer gäbe es einladendere Badetemperaturen und in den Abendstunden läge ein laues Lüftchen bei einem Gläschen Wein auf dem Balkon. Der Frühling ist jedoch die ideale Zeit, um Salentos kulturelle Schätze wiederzuentdecken und einzigartige Erlebnisse zu genießen. Erchie, Francavilla Fontana, Mesagne und Torre Santa Susanna sind Dörfer, die reich an Tradition, Kunst und Kultur sind.

Im kalten Jänner flog eine Einladung zum „Frühling im Salento“ von der Zeitschrift für Tourismus und Kultur des Salento Spiagge, der Städte Mesagne, Erchie, Francavilla Fontana und Villa Castelli, der Weinkellerei Tenute Bellamarina und dem Palazzo Savino ins Postfach. Mit der Mail lachte die Sonne Süditaliens ins Herz. Zwei Monate später steige ich in Karlsruhe-Baden in den Flieger nach Bari. Memmingen-Brindisi wäre die direktere Verbindung, wird aber erst ab Mai bedient.

Mit Ryanair nach Brindisi oder Bari.

Der erste Station der kulturellen Entdeckungsreise mit Journalisten ist Mesagne, das im späten Mittelalter seine längste Blütezeit erlebte, von der zahlreiche historische Paläste und die mächtige Burg zeugen. Unser Domizil ist das Palazzo Savino by Epoca Collection, ein elegantes historisches Gebäude im Herzen der Altstadt, das von der Familie Vece meisterhaft restauriert und vor einem Jahr für Gäste öffnete. Von der Dachterrasse können Gäste zumindest in den Sommermonaten die Schönheit des Panoramas der Stadt bewundern. Doch noch bevor wir Mesagne näher entdecken, haben wir ein weiteres Städtchen im Visier.

Verstecktes Städtchen mit verborgenen Schätzen

Im Herzen des Salento, verborgen zwischen uralten Olivenhainen und sonnenverwöhnten Reben, liegt ein Städtchen, das auf den ersten Blick bescheiden wirkt und in kaum einem Reiseführer erwähnt wird – doch wer sich auf Torre Santa Susanna einlässt, der entdeckt einen Ort, welcher reicher kaum sein könnte: Geschichte, Kultur, Herzlichkeit und kulinarischer Hochgenuss bilden eine einzigartige Melange.

Unsere Reise beginnt vor der Chiesa di San Pietro a Crepacore, wo Bürgermeister Michele Saccomanno und sein Team die Gäste in typischer salentinischer Manier empfangen – mit warmem Lächeln und noch wärmeren Zeppole di San Giuseppe. Diese kunstvollen, mit Creme gefüllten Gebäckrosen stimmen süß auf das ein, was nun folgt: Eine Entdeckungstour durch Zeit und Tradition im Salento.

Chiesa di San Pietro a Crepacore:
Im 6. und 7. Jahrhundert erbaut
eine meisterhafte Konstruktion.

Die Kirche selbst, ein Juwel byzantinischer Architektur aus dem 6. Jahrhundert, ist ein Ort der Stille und des Staunens. Getragen von antiken Säulen und geschmückt mit Fresken von beeindruckender Ausdruckskraft, zeigt sie das Letzte Abendmahl in einer Darstellung, die selbst Kunsthistoriker innehalten lässt. Besonders das Bildnis des langobardischen Königs Gae Derisio – gleich groß wie der Heilige Petrus – fasziniert durch seine ungewöhnliche Symbolik.

Doch Torre Santa Susanna verführt nicht nur mit sakraler Kunst, sondern birgt auch ein unterirdisches Geheimnis: eine byzantinische Ölmühle, verborgen unter dem Stadtkern. Hier, wo einst das berühmte Lampantöl produziert wurde – einst das Leuchtmittel der Boulevards von Paris, London und Moskau – lässt sich die Geschichte des „grünen Goldes“ hautnah erleben. Die liebevoll restaurierte Anlage mit steinernen Bögen und einer kleinen Kapelle ist mehr als ein technisches Denkmal: Sie ist ein Zeugnis von Wohlstand und Weitsicht.

Unterirdisch verborgene Ölmühlen.

Direkt darüber lädt das Molo Oil Museum auf der Piazza Umberto I zur sensorischen Reise durch die Welt des Olivenöls ein. 750 Etiketten, 548 Produzenten – das ist die stolze Bilanz des Slow-Food-Führers, der hier präsentiert wurde. Eine geschichtsträchtige Stadt voller Exzellenz: Torre Santa Susanna wirkt wie ein Epizentrum nachhaltiger Ölkunst.

Kulinarisch zieht das Städtchen weitere Register. Ein absolutes Muss für Genießer ist ein Besuch im Weingut Tenute Bellamarina, nur einen Steinwurf von der historischen Via Appia entfernt. Umgeben von 70 Hektar biologisch bewirtschafteten Reben, entfalten sich hier Weine, die in französischen und amerikanischen Barriquefässern zu flüssigen Gedichten reifen. Ob der florale Galè aus Fiano-Trauben, der samtige Rosamaro oder der kraftvolle Primerum – jedes Glas erzählt von Sonne, Erde und Hingabe. Unser Favorit ist hier aber der Zis mit dem eleganten Etikett: Bio-Rotwein aus Primitivo-Trauben. Purpurrot mit leicht violetten Reflexen. In der Nase entfalten sich Aromen von reifen roten Früchten, begleitet von würzigen Noten von Zimt und Nelken.

In den Barriquefässern entfalten sich
die echten Schätze der Tenute Bellamarina.

Und während Silberreiher über den Weinfeldern ihre Kreise ziehen, ahnt man, was Torre Santa Susanna so besonders macht: Es ist dieser stille Stolz, dieses Wissen um den eigenen Reichtum, das wie wahre Liebe keine großen Gesten braucht. Hier wird Geschichte nicht nur bewahrt, sondern auch gelebt – in Kirchen, in Mühlen, in Kelchen.

Wer statt am Josefstag erst im August nach Torre Santa Susanna reist, kann den internationalen Poesiewettbewerb mit Dichtern aus aller Welt erleben. Statt eisigem Wind weht eine sanfte Brise auf der Rückfahrt vom Meer mit Sand in den Schuhen . Dann braucht es keine großen Worte – es reicht ein Schluck Wein, ein Lächeln, ein Sonnenuntergang über dem Limitone dei Greci, um zu verstehen, was die Wörter „Zauberhaft Reisen“ im sonnigen Süden Italiens wirklich bedeuten.

Abendstimmung über
der normannisch-schwäbischen
Burg von Mesagne.

Liebhaber der Kunst im Land zwischen den Meeren

Zurück in Mesagne wird es Zeit, das Renaissance- und Barockherz der schönen Stadt zu erkunden. Wenn der Tag sich zum Abend hin neigt und goldene Sonnenstrahlen über die normannisch-schwäbische Burg von Mesagne gleiten, offenbart sich die Seele einer Stadt, die weit mehr ist als nur ein weiterer Zwischenstopp auf einer Salento-Reise. Mesagne, charmant und lebendig zu jeder Jahreszeit, gleicht einem offenen Geschichtsbuch, dessen prall gefüllte Seiten von antiken Völkern, barocker Pracht und messapischer Kultur erzählen.

Wir besichtigen die normannisch-schwäbische Burg, den mächtigen Turm, die Gefängnisse, den Hängegarten und den großen Saal, der heute zu einem Konferenzraum geworden ist. Nun erwartet uns das Archäologische Museum „Granafei“ Mater. Hier, in einem der ältesten Gebäude der Stadt, sind nicht nur Fürstengräber, sondern auch ein faszinierender bacchantischer Reigen mit Dionysos auf einem Panther in pompejanischem Rot zu bestaunen – ein kultureller Schatz aus der Zeit der Messapier, jenes alten Volkes, das laut dem Griechen Herodot das Land zwischen Adria und Ionischem Meer seine Heimat nannte.

Dem Gott des Weines gewidmet:
Dionysische Freuden in Panterform.

Antonio Matarelli genießt als Bürgermeister großes Ansehen. Das Gemeindeoberhaupt hat in eine Aufwertung seines historischen Erbes investiert, was der Stadt Mesagne wachsende Beliebtheit verlieh. Sichtbar wird dieses Engagement in den großen Ausstellungen „Caravaggio und seine Zeit“ und „G7, 7 Jahrhunderte italienischer Kunst“, die von der Unternehmensgruppe Miceexperience unter Leitung des Unternehmers Pierangelo Argentieri organisiert wird.

Der Burgturm des Kastells wird in mediterranem Licht angestrahlt. Das warme Violett ist für die Augen ganz nett, aber gaukelt uns die falsche Jahreszeit vor. Ein eisiger Wind weht noch immer vom Meer, und so wünschen wir uns den Sommer hierher. Wie alle anderen auch: Das Austreibens des Winters ist im Salento ein alter Brauch, den wir am nächsten Tag im kleinen Städtchen Erchie erleben dürfen.

Zauberhafte Zeremonie: Wenn in Erchie der Winter verglüht

Die Nebensaison im Salento hat ihren ganz eigenen Zauber – fernab der sommerlichen Touristenströme entfaltet sich ein leiser, ehrlicher Rhythmus aus Natur, Traditionen und einer gelebten Gemeinschaft. Sehr eindrucksvoll lässt sich das im kleinen Ort Erchie erleben, wenn am Abend des 18. März das große Freudenfeuer zu Ehren des Heiligen Josef entzündet wird – eine bezaubernde rituelle Zeremonie, die den Winter symbolisch austreibt und den Frühling willkommen heißt.

Erchie war ursprünglich ein Bauerndorf und ist heute eine charmante Gemeinde mit uralten Bräuchen, das die Kälte vertreibt und das Leben feiert. Was fast in Vergessenheit geriet, wurde in den letzten zwanzig Jahren von der engagierten Jugend des Ortes wiederentdeckt und mit neuem Leben erfüllt. Heute gehört das Spektakel zu den Höhepunkten des Jahres. Getragen von einer Vision des Bürgermeisters Giuseppe Margheriti wachsen neben dem zentralen Lagerfeuer auch die kleineren „Mattre“, Nachbarschaftsfeuer, die dem großen Ereignis vorausgehen zum wahren Volksfest heran, dass Gäste aus Nah und Fern anzieht.

Nach der heiligen Messe
wird die Josefstatue in der Prozession gemeinsam zum Festplatz getragen.

Nach der feierlichen Messe in der Kirche beginnt die Prozession mit der Statue des Heiligen Josef, die durch die Straßen bis zum Ort des Feuers getragen wird. Und dann beginnt der eigentliche Zauber: Das riesige Feuerwerk, das im Rhythmus der Musik den Himmel erleuchtet, kündigt begleitet von artistischen Feuerschluckern das Anzünden des großen Feuers an. Innerhalb von Sekunden lodern die Flammen hoch empor und das Feuer erhellt Gesichter, Herzen und Hoffnungen.

Dieses Ritual ist weit mehr als nur ein Fest – es ist ein Übergangsritus, ein bewusstes Innehalten und Loslassen. Der Winter wird verbrannt, das Alte verabschiedet. Mit jedem Funken, der in den Nachthimmel tanzt, rücken Frühling und Sommer ein Stück näher. Die Wärme des Feuers breitet sich aus – nicht nur körperlich, sondern auch emotional.

Am Josefstag
rücken Frühling & Sommer
im Salento ein großes Stück näher.

Ein Abend voller Musik, Tanz, regionaler Spezialitäten und einem Gemeinschaftsgefühl, das berührt. Für Reisende, die den echten, unverfälschten Süden Italiens suchen, ist das Fest ein kleines Wunder: authentisch, tief verwurzelt und voller Lebensfreude. Wem danach ist, der findet aufregende Karussels vor, die anderen Volksfesten in nichts nachstehen. So schön wird im Salento das Ende des Winters gefeiert.

Francavilla Fontana: Gänsehaut und Gaumenfreuden

Wenn sich im Salento die Sinne erweitern, liegt das oft an Orten wie Francavilla Fontana. Diese elegante Stadt im Herzen Apuliens ist weit mehr als ein weiterer barocker Glanzpunkt Süditaliens – sie ist eine kulinarische Schatztruhe, ein Ort, wo die Tradition auf feinen Geschmack trifft, und wo eine einfache Mandel zum Genuss wird.

Riccio Confetto
in Francavilla Fontana.

Ein Juwel der Sinne ist das Riccio Confetto. Schon beim ersten Biss ist klar: Dies ist kein gewöhnliches Konfekt. Die zarten Mandeln, umhüllt von weichem Zucker, entstehen noch heute in liebevoller Handarbeit – ein Erbe, das von Nicola Tardio mit kräftigem Arm im Kupferkessel gerührt wird. „Sie ist die Zuckermandel der Liebe“, weiß der Konditor und erzählt, dass die Frauen am sogenannten „Frauendonnerstag“ vor Karneval die süße Versuchung an ihre Liebsten verschenken – gefolgt vom „Männerdonnerstag“, an dem die Herren dann den Damen mit gezuckerten Grüßen antworten, die den ersten in nichts nachstehen.

Nicht ohne Grund wurde dieses Meisterwerk der Süßwarenkunst zum Slow Food Presidium erklärt. In Francavilla wird es täglich genossen – bei Hochzeiten, Festen oder als süße Geste zwischen Nachbarn. Ein Stück Riccio Confetto, so scheint es, kann Geschichten erzählen.

Castello Imperiali,
heute mit Archäologischen Museum.

Doch Francavilla Fontana bietet mehr als nur süßen Konfekt. Auch architektonisch weiß die Stadt seine Betrachter zu verzaubern. Allen voran das imposante Castello Imperiali, einst Residenz der Famiglia Imperiali, heute ein prachtvoller Sitz des Rathauses und Heim des Archäologischen Museums (MAFF). Wandert man durch die mit Blattgold und Fresken geschmückte Sala del Camino, glaubt man, durch die Hallen eines neapolitanischen Palazzos zu schreiten.

Wer Francavilla Fontana im Frühling besucht, erlebt eine Karwoche wie aus einer anderen Zeit. In eindrucksvollen Prozessionen, die an die großen religiösen Spektakel Spaniens erinnern, ziehen die stolzen Bruderschaften barfuß und vermummt durch die Straßen. Sie tragen Holzkreuze, beten, singen – und schaffen Momente, die tief berühren. Besonders eindrucksvoll: die Karfreitagsprozession mit der schweren Figur des gefallenen Christus, begleitet vom schrillen Klang der „Trenula“, eines uralten Holzinstruments, das Gänsehaut verbreitet.

Marco Pappadà
bereitet köstliche
Pignata-Gerichte zu.

Wer einfach die Seele streicheln und den Gaumen kitzeln will, ist im Agriturismo Tredicina goldrichtig. Inmitten blühender Landschaften erwartet Gäste nicht nur Komfort, sondern vor allem die Küche von Marco Pappadà – einem Maestro der modernen salentinischen Küche. Ob Semifreddo mit gezuckerten Mandeln, Panettone aus Francavilla, oder Pignata-Gerichte aus Pferde- und Eselfleisch, langsam gegart in Terrakottatöpfen – hier wird aus Tradition Gourmetküche.

Dazu schenkt der junge Winzer Simone Santoro seine feinen Weine aus, allen voran den Orange Wein aus der Francavilla-Traube – ein echtes Unikat mit Charakter, oder auch den Rotwein Susumaniello. Kein Wunder, dass sein Label „Noscia“ – liebevoll „unsere“ genannt – längst zum Symbol für Stolz und Qualität in der Region geworden ist.

Francavilla Fontana ist einfach ein Ort, an dem das Leben in vollen Zügen genossen werden will – mit allen Sinnen. Es ist eine Stadt, die satt macht, im Herzen wie auf der Zunge. Kunst, Kultur und Kulinarik sind im Salento meist nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Wer sich in den Flieger nach Brindisi setzt, sollte alle drei genießen, und im Sommer eine Auszeit an den vielen herrlichen Stränden einplanen.

INFO

Allgemein

Salento ist der Name einer 100 km langen und 40 km breiten Halbinsel im Südosten Italiens. Sie wird oft als Absatz des italienischen Stiefels bezeichnet. Administrativ gehört die Halbinsel zur Region Apulien.

Ankommen

Günstige Ryanair-Flüge nach Brindisi von Memmingen oder nach Bari von Karlsruhe, Berlin Brandenburg, Weeze, Hahn und Nürnberg.
www.ryanair.com

Einkehren & Genießen

Cantina Tenute Bellamarina (Weingut), Torre Santa Susanna
www.tenutebellamarina.com

Cantina La Pruina
www.lapruinavini.com

Masseria Tredicina (Restaurant), Francavilla Fontana
>>mehr

Übernachten

Palazzo Savino by Epoca Collection, Mesagne
www.palazzosavino.it

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Allgemein Pilgern Zauberhafte Erlebnisse

Wo Giuseppe allen den ersehnten Frühling bringt

„Wozu wird an Italiens Stiefelabsatz denn der Winter ausgetrieben?“ mag sich hierzulande mancher Fragen. Wer sich auf eine Reise fast an den südlichsten Zipfel Italiens begibt, der lernt schnell zu verstehen, warum. Ein eisiger Wind weht in die zu dünne Jacke. Mit Funkenfeuer hat das Winteraustreiben aber nichts zu tun, es hat kirchliche Wurzeln. Am Josefstag, dem italienischen Vatertag, wird Josef als Bräutigam der Gottesmutter gepriesen. Neben der Prozession Falo di San Giuseppe in Erchi gibt es auch rundherum im Salento allerhand zu erleben.

Zugegeben, im Sommer gäbe es einladendere Badetemperaturen und in den Abendstunden läge ein laues Lüftchen bei einem Gläschen Wein auf dem Balkon. Der Frühling ist jedoch die ideale Zeit, um Salentos kulturelle Schätze wiederzuentdecken und einzigartige Erlebnisse zu genießen. Erchie, Francavilla Fontana, Mesagne und Torre Santa Susanna sind Dörfer, die reich an Tradition, Kunst und Kultur sind.

Im kalten Jänner flog eine Einladung zum „Frühling im Salento“ von der Zeitschrift für Tourismus und Kultur des Salento Spiagge, der Städte Mesagne, Erchie, Francavilla Fontana und Villa Castelli, der Weinkellerei Tenute Bellamarina und dem Palazzo Savino ins Postfach. Mit der Mail lachte die Sonne Süditaliens ins Herz. Zwei Monate später steige ich in Karlsruhe-Baden in den Flieger nach Bari. Memmingen-Brindisi wäre die direktere Verbindung, wird aber erst ab Mai bedient.

Mit Ryanair nach Brindisi oder Bari.

Der erste Station der kulturellen Entdeckungsreise mit Journalisten ist Mesagne, das im späten Mittelalter seine längste Blütezeit erlebte, von der zahlreiche historische Paläste und die mächtige Burg zeugen. Unser Domizil ist das Palazzo Savino by Epoca Collection, ein elegantes historisches Gebäude im Herzen der Altstadt, das von der Familie Vece meisterhaft restauriert und vor einem Jahr für Gäste öffnete. Von der Dachterrasse können Gäste zumindest in den Sommermonaten die Schönheit des Panoramas der Stadt bewundern. Doch noch bevor wir Mesagne näher entdecken, haben wir ein weiteres Städtchen im Visier.

Verstecktes Städtchen mit verborgenen Schätzen

Im Herzen des Salento, verborgen zwischen uralten Olivenhainen und sonnenverwöhnten Reben, liegt ein Städtchen, das auf den ersten Blick bescheiden wirkt und in kaum einem Reiseführer erwähnt wird – doch wer sich auf Torre Santa Susanna einlässt, der entdeckt einen Ort, welcher reicher kaum sein könnte: Geschichte, Kultur, Herzlichkeit und kulinarischer Hochgenuss bilden eine einzigartige Melange.

Unsere Reise beginnt vor der Chiesa di San Pietro a Crepacore, wo Bürgermeister Michele Saccomanno und sein Team die Gäste in typischer salentinischer Manier empfangen – mit warmem Lächeln und noch wärmeren Zeppole di San Giuseppe. Diese kunstvollen, mit Creme gefüllten Gebäckrosen stimmen süß auf das ein, was nun folgt: Eine Entdeckungstour durch Zeit und Tradition im Salento.

Chiesa di San Pietro a Crepacore:
Im 6. und 7. Jahrhundert erbaut
eine meisterhafte Konstruktion.

Die Kirche selbst, ein Juwel byzantinischer Architektur aus dem 6. Jahrhundert, ist ein Ort der Stille und des Staunens. Getragen von antiken Säulen und geschmückt mit Fresken von beeindruckender Ausdruckskraft, zeigt sie das Letzte Abendmahl in einer Darstellung, die selbst Kunsthistoriker innehalten lässt. Besonders das Bildnis des langobardischen Königs Gae Derisio – gleich groß wie der Heilige Petrus – fasziniert durch seine ungewöhnliche Symbolik.

Doch Torre Santa Susanna verführt nicht nur mit sakraler Kunst, sondern birgt auch ein unterirdisches Geheimnis: eine byzantinische Ölmühle, verborgen unter dem Stadtkern. Hier, wo einst das berühmte Lampantöl produziert wurde – einst das Leuchtmittel der Boulevards von Paris, London und Moskau – lässt sich die Geschichte des „grünen Goldes“ hautnah erleben. Die liebevoll restaurierte Anlage mit steinernen Bögen und einer kleinen Kapelle ist mehr als ein technisches Denkmal: Sie ist ein Zeugnis von Wohlstand und Weitsicht.

Unterirdisch verborgene Ölmühlen.

Direkt darüber lädt das Molo Oil Museum auf der Piazza Umberto I zur sensorischen Reise durch die Welt des Olivenöls ein. 750 Etiketten, 548 Produzenten – das ist die stolze Bilanz des Slow-Food-Führers, der hier präsentiert wurde. Eine geschichtsträchtige Stadt voller Exzellenz: Torre Santa Susanna wirkt wie ein Epizentrum nachhaltiger Ölkunst.

Kulinarisch zieht das Städtchen weitere Register. Ein absolutes Muss für Genießer ist ein Besuch im Weingut Tenute Bellamarina, nur einen Steinwurf von der historischen Via Appia entfernt. Umgeben von 70 Hektar biologisch bewirtschafteten Reben, entfalten sich hier Weine, die in französischen und amerikanischen Barriquefässern zu flüssigen Gedichten reifen. Ob der florale Galè aus Fiano-Trauben, der samtige Rosamaro oder der kraftvolle Primerum – jedes Glas erzählt von Sonne, Erde und Hingabe. Unser Favorit ist hier aber der Zis mit dem eleganten Etikett: Bio-Rotwein aus Primitivo-Trauben. Purpurrot mit leicht violetten Reflexen. In der Nase entfalten sich Aromen von reifen roten Früchten, begleitet von würzigen Noten von Zimt und Nelken.

In den Barriquefässern entfalten sich
die echten Schätze der Tenute Bellamarina.

Und während Silberreiher über den Weinfeldern ihre Kreise ziehen, ahnt man, was Torre Santa Susanna so besonders macht: Es ist dieser stille Stolz, dieses Wissen um den eigenen Reichtum, das wie wahre Liebe keine großen Gesten braucht. Hier wird Geschichte nicht nur bewahrt, sondern auch gelebt – in Kirchen, in Mühlen, in Kelchen.

Wer statt am Josefstag erst im August nach Torre Santa Susanna reist, kann den internationalen Poesiewettbewerb mit Dichtern aus aller Welt erleben. Statt eisigem Wind weht eine sanfte Brise auf der Rückfahrt vom Meer mit Sand in den Schuhen . Dann braucht es keine großen Worte – es reicht ein Schluck Wein, ein Lächeln, ein Sonnenuntergang über dem Limitone dei Greci, um zu verstehen, was die Wörter „Zauberhaft Reisen“ im sonnigen Süden Italiens wirklich bedeuten.

Abendstimmung über
der normannisch-schwäbischen
Burg von Mesagne.

Liebhaber der Kunst im Land zwischen den Meeren

Zurück in Mesagne wird es Zeit, das Renaissance- und Barockherz der schönen Stadt zu erkunden. Wenn der Tag sich zum Abend hin neigt und goldene Sonnenstrahlen über die normannisch-schwäbische Burg von Mesagne gleiten, offenbart sich die Seele einer Stadt, die weit mehr ist als nur ein weiterer Zwischenstopp auf einer Salento-Reise. Mesagne, charmant und lebendig zu jeder Jahreszeit, gleicht einem offenen Geschichtsbuch, dessen prall gefüllte Seiten von antiken Völkern, barocker Pracht und messapischer Kultur erzählen.

Wir besichtigen die normannisch-schwäbische Burg, den mächtigen Turm, die Gefängnisse, den Hängegarten und den großen Saal, der heute zu einem Konferenzraum geworden ist. Nun erwartet uns das Archäologische Museum „Granafei“ Mater. Hier, in einem der ältesten Gebäude der Stadt, sind nicht nur Fürstengräber, sondern auch ein faszinierender bacchantischer Reigen mit Dionysos auf einem Panther in pompejanischem Rot zu bestaunen – ein kultureller Schatz aus der Zeit der Messapier, jenes alten Volkes, das laut dem Griechen Herodot das Land zwischen Adria und Ionischem Meer seine Heimat nannte.

Dem Gott des Weines gewidmet:
Dionysische Freuden in Panterform.

Antonio Matarelli genießt als Bürgermeister großes Ansehen. Das Gemeindeoberhaupt hat in eine Aufwertung seines historischen Erbes investiert, was der Stadt Mesagne wachsende Beliebtheit verlieh. Sichtbar wird dieses Engagement in den großen Ausstellungen „Caravaggio und seine Zeit“ und „G7, 7 Jahrhunderte italienischer Kunst“, die von der Unternehmensgruppe Miceexperience unter Leitung des Unternehmers Pierangelo Argentieri organisiert wird.

Der Burgturm des Kastells wird in mediterranem Licht angestrahlt. Das warme Violett ist für die Augen ganz nett, aber gaukelt uns die falsche Jahreszeit vor. Ein eisiger Wind weht noch immer vom Meer, und so wünschen wir uns den Sommer hierher. Wie alle anderen auch: Das Austreibens des Winters ist im Salento ein alter Brauch, den wir am nächsten Tag im kleinen Städtchen Erchie erleben dürfen.

Zauberhafte Zeremonie: Wenn in Erchie der Winter verglüht

Die Nebensaison im Salento hat ihren ganz eigenen Zauber – fernab der sommerlichen Touristenströme entfaltet sich ein leiser, ehrlicher Rhythmus aus Natur, Traditionen und einer gelebten Gemeinschaft. Sehr eindrucksvoll lässt sich das im kleinen Ort Erchie erleben, wenn am Abend des 18. März das große Freudenfeuer zu Ehren des Heiligen Josef entzündet wird – eine bezaubernde rituelle Zeremonie, die den Winter symbolisch austreibt und den Frühling willkommen heißt.

Erchie war ursprünglich ein Bauerndorf und ist heute eine charmante Gemeinde mit uralten Bräuchen, das die Kälte vertreibt und das Leben feiert. Was fast in Vergessenheit geriet, wurde in den letzten zwanzig Jahren von der engagierten Jugend des Ortes wiederentdeckt und mit neuem Leben erfüllt. Heute gehört das Spektakel zu den Höhepunkten des Jahres. Getragen von einer Vision des Bürgermeisters Giuseppe Margheriti wachsen neben dem zentralen Lagerfeuer auch die kleineren „Mattre“, Nachbarschaftsfeuer, die dem großen Ereignis vorausgehen zum wahren Volksfest heran, dass Gäste aus Nah und Fern anzieht.

Nach der heiligen Messe
wird die Josefstatue in der Prozession gemeinsam zum Festplatz getragen.

Nach der feierlichen Messe in der Kirche beginnt die Prozession mit der Statue des Heiligen Josef, die durch die Straßen bis zum Ort des Feuers getragen wird. Und dann beginnt der eigentliche Zauber: Das riesige Feuerwerk, das im Rhythmus der Musik den Himmel erleuchtet, kündigt begleitet von artistischen Feuerschluckern das Anzünden des großen Feuers an. Innerhalb von Sekunden lodern die Flammen hoch empor und das Feuer erhellt Gesichter, Herzen und Hoffnungen.

Dieses Ritual ist weit mehr als nur ein Fest – es ist ein Übergangsritus, ein bewusstes Innehalten und Loslassen. Der Winter wird verbrannt, das Alte verabschiedet. Mit jedem Funken, der in den Nachthimmel tanzt, rücken Frühling und Sommer ein Stück näher. Die Wärme des Feuers breitet sich aus – nicht nur körperlich, sondern auch emotional.

Am Josefstag
rücken Frühling & Sommer
im Salento ein großes Stück näher.

Ein Abend voller Musik, Tanz, regionaler Spezialitäten und einem Gemeinschaftsgefühl, das berührt. Für Reisende, die den echten, unverfälschten Süden Italiens suchen, ist das Fest ein kleines Wunder: authentisch, tief verwurzelt und voller Lebensfreude. Wem danach ist, der findet aufregende Karussels vor, die anderen Volksfesten in nichts nachstehen. So schön wird im Salento das Ende des Winters gefeiert.

Francavilla Fontana: Gänsehaut und Gaumenfreuden

Wenn sich im Salento die Sinne erweitern, liegt das oft an Orten wie Francavilla Fontana. Diese elegante Stadt im Herzen Apuliens ist weit mehr als ein weiterer barocker Glanzpunkt Süditaliens – sie ist eine kulinarische Schatztruhe, ein Ort, wo die Tradition auf feinen Geschmack trifft, und wo eine einfache Mandel zum Genuss wird.

Riccio Confetto
in Francavilla Fontana.

Ein Juwel der Sinne ist das Riccio Confetto. Schon beim ersten Biss ist klar: Dies ist kein gewöhnliches Konfekt. Die zarten Mandeln, umhüllt von weichem Zucker, entstehen noch heute in liebevoller Handarbeit – ein Erbe, das von Nicola Tardio mit kräftigem Arm im Kupferkessel gerührt wird. „Sie ist die Zuckermandel der Liebe“, weiß der Konditor und erzählt, dass die Frauen am sogenannten „Frauendonnerstag“ vor Karneval die süße Versuchung an ihre Liebsten verschenken – gefolgt vom „Männerdonnerstag“, an dem die Herren dann den Damen mit gezuckerten Grüßen antworten, die den ersten in nichts nachstehen.

Nicht ohne Grund wurde dieses Meisterwerk der Süßwarenkunst zum Slow Food Presidium erklärt. In Francavilla wird es täglich genossen – bei Hochzeiten, Festen oder als süße Geste zwischen Nachbarn. Ein Stück Riccio Confetto, so scheint es, kann Geschichten erzählen.

Castello Imperiali,
heute mit Archäologischen Museum.

Doch Francavilla Fontana bietet mehr als nur süßen Konfekt. Auch architektonisch weiß die Stadt seine Betrachter zu verzaubern. Allen voran das imposante Castello Imperiali, einst Residenz der Famiglia Imperiali, heute ein prachtvoller Sitz des Rathauses und Heim des Archäologischen Museums (MAFF). Wandert man durch die mit Blattgold und Fresken geschmückte Sala del Camino, glaubt man, durch die Hallen eines neapolitanischen Palazzos zu schreiten.

Wer Francavilla Fontana im Frühling besucht, erlebt eine Karwoche wie aus einer anderen Zeit. In eindrucksvollen Prozessionen, die an die großen religiösen Spektakel Spaniens erinnern, ziehen die stolzen Bruderschaften barfuß und vermummt durch die Straßen. Sie tragen Holzkreuze, beten, singen – und schaffen Momente, die tief berühren. Besonders eindrucksvoll: die Karfreitagsprozession mit der schweren Figur des gefallenen Christus, begleitet vom schrillen Klang der „Trenula“, eines uralten Holzinstruments, das Gänsehaut verbreitet.

Marco Pappadà
bereitet köstliche
Pignata-Gerichte zu.

Wer einfach die Seele streicheln und den Gaumen kitzeln will, ist im Agriturismo Tredicina goldrichtig. Inmitten blühender Landschaften erwartet Gäste nicht nur Komfort, sondern vor allem die Küche von Marco Pappadà – einem Maestro der modernen salentinischen Küche. Ob Semifreddo mit gezuckerten Mandeln, Panettone aus Francavilla, oder Pignata-Gerichte aus Pferde- und Eselfleisch, langsam gegart in Terrakottatöpfen – hier wird aus Tradition Gourmetküche.

Dazu schenkt der junge Winzer Simone Santoro seine feinen Weine aus, allen voran den Orange Wein aus der Francavilla-Traube – ein echtes Unikat mit Charakter, oder auch den Rotwein Susumaniello. Kein Wunder, dass sein Label „Noscia“ – liebevoll „unsere“ genannt – längst zum Symbol für Stolz und Qualität in der Region geworden ist.

Francavilla Fontana ist einfach ein Ort, an dem das Leben in vollen Zügen genossen werden will – mit allen Sinnen. Es ist eine Stadt, die satt macht, im Herzen wie auf der Zunge. Kunst, Kultur und Kulinarik sind im Salento meist nur einen Steinwurf voneinander entfernt. Wer sich in den Flieger nach Brindisi setzt, sollte alle drei genießen, und im Sommer eine Auszeit an den vielen herrlichen Stränden einplanen.

INFO

Allgemein

Salento ist der Name einer 100 km langen und 40 km breiten Halbinsel im Südosten Italiens. Sie wird oft als Absatz des italienischen Stiefels bezeichnet. Administrativ gehört die Halbinsel zur Region Apulien.

Ankommen

Günstige Ryanair-Flüge nach Brindisi von Memmingen oder nach Bari von Karlsruhe, Berlin Brandenburg, Weeze, Hahn und Nürnberg.
www.ryanair.com

Einkehren & Genießen

Cantina Tenute Bellamarina (Weingut), Torre Santa Susanna
www.tenutebellamarina.com

Cantina La Pruina
www.lapruinavini.com

Masseria Tredicina (Restaurant), Francavilla Fontana
>>mehr

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Palazzo Savino by Epoca Collection, Mesagne
www.palazzosavino.it

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