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Biken Outdoor

Schlaflos auf Sardien: MyLand Mountainbike nonstop

Bis zu 440 Kilometer und 10.000 Höhenmeter Mountainbiken nonstop: MyLand an der Westküste Sardiniens ist ein echtes Abenteuer. Ein Mountainbike-Marathon vom Morgengrauen bis zum Mondschein. Wildpferde in der heißen Mittagssonne oder Pasta-Party nachts um zwei? Wer das ursprüngliche Sardinien entdecken und ein echtes Abenteuer erleben will, sollte sich das Myland Mountainbike Festival Ende April im Kalender dick anstreichen.

Das MyLand MTB Non Stop Bike Festival ist eine Idee, die in der Marmilla an der Westküste Sardiniens, vierzig km von Oristano, entstand, um die bezaubernde Bergregion aktiven Gästen bekannt zu machen.  Die Marmilla ist eine äußerst dünn besiedelte Landschaft, wo sich Sardinien natürlich entdecken lässt. Von sanften Hügeln geprägt, ragen auch sportliche Berge hervor: Das Naturreservat Monte Arci (812 m), die Giara di Gesturi (609 m) mit seinen Wildpferden und Ausläufer des Gennargentu.

Drei sportliche Streckenprofile von 120 bis zu über 400 Kilometern: Das sind die Eckdaten des MyLand Bike Festivals. Was sich noch aufregender liest, ist die dabei akkumulierte Kraxlerei: Von Anfang an waren dies 2.500, 5.000 oder 10.000 Höhenmeter. Vom ersten Jahr an war das Myland Bike Festival ein Event, das die Ausdauer der Teilnehmer auf die Probe stellte. Von Anfang an gab es Teilnehmer, die aufgaben. Dennoch hat sich die Anzahl der Teilnehmer seit der ersten Auflage jährlich in etwa verdoppelt: 2015 waren es 60, 2016 schon 120 und 2017 nahmen bereits 166 Mountainbiker am MyLand Mountainbike Festival teil.

Frühling in der Marmilla Foto (c) MyLand / Marcello Olla

Drei Tage, hunderte von Kilometern, meilenweit absolute Wildnis, Verlass nur auf den GPS-Track: Das MyLand Bike Festival ist ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt. Wer einmal am MyLand MTB Festival teilnimmt, wird schnell Teil einer einzigartigen Gemeinschaft, die sich auf kniffligen Trails im Dickicht der mediterranen Macchia oder inmitten leuchtend roter Felder aus Süßklee, der so typisch für die Marmilla ist, meist ganz automatisch  entwickelt.

Fünf Eigenschaften werden von den Organisatoren für einen Erfolg am MyLand Bike Festival stets  hervorgehoben: Hartnäckigkeit, Geschicklichkeit, Mut, Kraft, und Zusammenhalt. Wer sich die 400 Kilometer zutraut, sollte darauf gefasst sein, über 50 Stunden im Sattel zu sitzen und für eine Top-Platzierung auch nachts in die Pedale zu treten. Gewiss ist, dass auch nachts um drei Checkpoints offen sind, die Pasta zubereiten oder Platz für ein Nickerchen bieten.

Einen der ersten Plätze auf dem MyLand Mountainbike Marathon belegt aber nur, wer quasi nonstop durchbiked. „Ich habe nur vier Stunden ausgeruht, aber könnte sofort wieder starten“, erzählt Piero, angetreten auf den vollen 400 km. Als einer der „Senatoren“ hat er an allen drei bisherigen Ausgaben von MyLand erfolgreich teilgenommen. Eigentlich habe er es dieses Mal gemütlich angegangen, das nächste Mal will er erst so richtig durchstarten.

Pfeilschnell, widerstandsfähig und mit goldenen Reflexen ausgestattet sollte man in der Tat sein, um einen der ersten Plätze dieses in ganz Italien einzigartigen Bike-Events zu erobern. Konzentration erfordert nicht nur die Aufmerksamkeit auf die in allen Varianten technisch anspruchsvollen Trails des Marathons, sondern auch aufs GPS-Gerät, welches zumeist alleinige Orientierung bietet. Mancherorts ist gar kein Weg zu erkennen. Der Blick streift im Abschnitt bei Nureci hinter jedem Gebüsch ins GPS. Zur Sicherheit ist jedem der Rat zu geben, vor dem Start nochmal das GPS und die Halterung zu checken, damit es nicht Lost in Sardegna heißt. Zu empfehlen ist die Teilnahme in einer Gruppe, dennoch treten öfters auch Biker alleine an.

On the Trail – 120 km MyLand Mountainbike nonstop

Sicher mutig war es, das MyLand Bike Festival, von dem ich kurz zuvor auf der FREE Messe erfuhr,  gleich zum ersten Mal alleine auf 120 km anzutreten. Doch alleine bleibt man nicht lange. Wer sich in den Sattel schwingt und sich dem Abenteuer MyLand in der märchenhaften Marmilla stellt, wird Teil einer einzigartigen Gemeinschaft, der er als „MyLander“ fortan angehört und damit der Region fürimmer im Herzen verbunden bleibt.

Herausforderungen lassen speziell fern der Heimat oft nicht lange auf sich warten. Schon in der zweiten steilen Passage der 120 km kurz nach dem Start um 14 Uhr in Villa Verde ist es soweit. Eine Abzweigung verpasst, wenige Meter abseits des Tracks ist blitzartig der Reifen platt. Schnell gefixt, wartet kurz darauf die nächste Überraschung. Das GPS macht sich selbständig und fällt vom Lenker herunter. Doch ohne den Track zu checken, hat man sich blitzschnell verfahren.

Meeting some good friends on the trail, you never can fail: “Skall aus” aus Oristano Foto:  Heilmann

Eine Gruppe passionierter Mountainbiker aus Oristano hilft mir aus der Patsche. Die nette Gruppe lerne ich am Aufstieg kennen und treffe sie später glücklicherweise gleich wieder, als sie mir nach einer weiteren gut versteckten und eben verpassten Abzweigung entgegen kommen. Glück gehabt!  Es sind „Skall aus“ aus dem benachbarten Oristano, die mich zum nächsten Checkpoint begleiten. Grazie a Michaelangelo hält mein GPS wieder fest. Tape auf dem Trail ist ein toller Tipp. Lesson 1: With good friends on the trail, you never can fail.

Ankunft in Assolo in der Abenddämmerung. 43 km geschafft. Hier am Checkpoint erwartet mich mein Nachtquartier bei Francesca. Ein herzlicher Empfang mit köstlichem Kuchen, einer warmen Dusche, gemeinsamer Pasta-Party am Kamin und Plauderei mit der Familie. Schnell falle ich ins Bett.  Für die tapferen sardischen Biker aus Oristano ist erst Halbzeit. Sie radeln gegen 21 Uhr nach kurzer Rast weiter zum nächsten Checkpoint Baradili, der erst nach 86 Kilometern folgt. Das hätte ich wohl nicht mehr geschafft. Lesson 2: You´re never lost with a good host.

Am nächsten Morgen um sechs sitz auch ich schon wieder im Sattel. Es sind nicht viele Grade über 0. Francesca vom Checkpoint reicht mir noch eine Tasse heißen Tee zum Wärmen. Da sich niemand meiner Stopstrategie angeschlossen hat, bin ich heute navigationstechnisch auf mich allein gestellt. Schon nach den ersten Kilometern bekomme einen Eindruck davon, was die Biker aus Oristano in der Nacht zuvor noch geleistet haben. Auf einem Feldweg zweigt ein kleiner Trail ab, den ich im Morgengrauen verpasse und erst wenige Hundert Meter später nach Kontrolle des GPS entdecke. Etwas später bei Nureci folgt schließlich ein Abschnitt, wo überhaupt kein Weg mehr ersichtlich ist. Doch aufs GPS ist Verlass. Sicher führt es über ein kleines Gatter hinaus aus dem Wirrwarr. Lesson 3: Don´t worry about the way, it´s going to be ok.

Bei Genoni habe ich knapp die Hälfte der 120 km-Rundstrecke erreicht. Der Wasserstand in der Trinkflasche bereitet mir Sorgen. Wer weiß, wo Sardinien wieder frisches Wasser bereithält. So frage ich einen Mann im Garten, dem ich begegne. „Oggi domenica“ erinnert er mich. Er  winkt mich in eine Einfahrt, wo ich herzlichst bewirtet werde. Sardische Gastfreundschaft! Fix Mineralwasser, Kekse, Kuchen, Wildschweinsalami, Pecorino und Äpfel hinzu gepackt. „Graaazie mille!!!“ Die Marmilla zu entdecken, ist ein Geschenk.  Lesson 4: Expect unexpected.

Foto: (c) MyLand / Marcello Olla

Die folgenden dreißig Kilometer sind nun fast ausschließlich abschüssig. Einer der Gründe dafür ist, dass ich bei Nuragus auf eine stillgelegte Eisenbahnstrecke treffe, welche einst bis Villacidro führte. 70 Kilometer frühere Schmalspurbahn, herrliche Tunnel, ein Stückchen zum Rollen lassen. Bis nach Las Plassas habe ich das Vergnügen, dieser einmal bedeutenden Bahnstrecke zu folgen. Ich passiere Barumini mit seinen eindrucksvollen Nuraghen und Las Plassas mit seiner über alles thronenden Burg und dem Museum über das einstige Königreich von Arborea. Sardinien und ebenso die Marmilla ist nicht nur reich an eizigartiger intakter Natur, sondern auch reich an Ärchäologie und Jahrtausende alter Kultur, Lesson 5: The best trail is sometimes to follow the rail.

Bald darauf erreiche ich das idyllische Baradili. Sardiniens kleinste Gemeinde hat 84 Einwohner und ist doch voller Leben. Sogar ein Schwimmbad lädt zur Erfrischung ein. Am Checkpoint werde ich schon ein Weilchen erwartet. „Wann ist den Simona aus Oristano angekommen?“, frage ich. „Heut Nacht um drei“, erklärt Fabrizio bei einer Tasse frischem Kaffee und lacht. Baradili liegt am Fuße der Giara di Gesturi. Die steilen Hänge der Hochebene winken am Horizont als nächste Herausforderung. Ein reizvoller Abstecher führt ins benachbarte Baressa mit seinem Albergo Diffuso, mit Betten über die Häuser in der historischen Altstadt verteilt.

Ebenso passierte MyLand heuer auch das Naturreservat der Giara di Gesturi. Hier leben inmitten knorriger Korkeichen mal an fruchtbaren Wassertümpeln, mal in einem Meer aus weißen Blüten die „Cavallini della Giara“. Was für eine traumhafte Szenerie. Einen Ort, wo auf etwa 40 km² 600 Wildpferde grasen – das findet man weit und breit kein zweites Mal. Die bezaubernde Hochebene will allerdings erklommen werden. In der heißen Mittagssonne ist der Anstieg auf die Terrasse über der Marmilla, welche fast ein wenig märchenhaft anmutet, nicht zu empfehlen. Beim raufstrampeln werde ich von rasanten Sarden, welche 220 Kilometer (quasi doppelte Distanz) fahren, eingeholt. Lesson 6: If you want to have fun, don´t climb in the sun.

An einem Tümpel auf der Anhöhe bekomme ich schon die ersten Giara-Wildpferde zu Gesicht.  Ein Trail aus rotem Sand, der später durch die wilde Macchia führt  und dort im Dickicht noch ein paar Schiebestellen bereithält. Bereits etwas müde führt schließlich ein Trail durch den schattigen Wald hinab, und an einer Lichtung folgt sogar eine Straße. Schnell ist Albagiara erreicht. Über verträumte Feldwege erreiche ich nach den letzten Höhenmetern am späten Nachmittag Villa Verde. Herzlichst werde ich im Ziel empfangen, obwohl  über dem 24 Stunden Limit. Der schnellste Teilnehmer auf meiner 120 km Distanz war schon am Vorabend eingetroffen. 120 Kilometer und 2500 Höhenmeter in unter sieben Stunden. Die gesamten 400 Kilometer mit 10.000 Höhenmetern wurden vom Sieger des Bike-Festivals unter 43 Stunden bewältigt. Respekt. Was für mich zählt, ist angekommen zu sein. „Non mollare“ sagt der Italiener. Nicht aufgeben!

Fast ganzjährig Trail-Genuss

Ob 120 Kilometer, 220 Kilometer oder die vollen 400 Kilometer: Die Strecken und Etappen des einzigartigen Bike-Festivals in einer Ecke Sardiniens, welche noch ein echter Geheimtipp ist, lassen sich nicht nur während des Festivals, sondern das ganze Jahr über entdecken. Vom Klima sind Frühling und Spätsommer zu empfehlen. Leicht sind bezaubernde Unterkünfte gefunden. Zur Orientierung stehen die GPS-Tracks auf der MyLand Homepage jederzeit bereit.

Sardinien ist mehr als Solarium mit Strandgarnitur. Die Insel ist ein echtes Trekking-Paradies. Wer die bezaubernde Marmilla und ihre Menschen entdeckt, wird sich schnell in die Region verlieben. Spätestens wenn ein anstrengender Tag voller imposanter Eindrücke auf dem Sattel seinen entspannten Ausklang bei einem Glas Cannonau und einem guten Abendessen findet.

Sardische Spezialitäten Foto: Heilmann

Vielleicht bei Spezzatini, Malloreddus oder den für die Region typischen frittierten Seadas. Als Nachtisch zuckersüße Pippia de Zuccuru (Zuckerpuppe), Amarettus und Pani ´e Saba aus Mandeln und Wein. Sportliche Verausgabung und kulinarischer Hochgenuss: In der Marmilla liegt beides, wie in ganz Sardinien, nie weit auseinander.

INFO

Allgemein: Das MyLand Bike Festival findet jedes Jahr an vier Tagen gegen Ende April statt. Drei Strecken-Varianten stehen zur Wahl: 440 km in 72 Stunden (10000 hm), 220 km (5000 hm) in 48 Stunden, 120 km in 24 Stunden (2500 hm).

Lage: Die Marmilla ist eine Hügellandschaft im Hinterland von Oristano an der Westküste Sardiniens. Hier findet alljährlich das MyLand Nonstop MTB Bike Festival statt.

Beste Reisezeit: Besonders empfehlenswert ist natürlich Ende April, wenn das Bike Festival steigt. Die Tracks und Trails des Festivals lassen sich aber auch im übrigen Jahr abrufen und befahren. Vom Klima ist die Anreise von April-Juni oder September-November zu empfehlen.

Anreise: Flug nach Cagliari, Mietwagen oder Bahn bis Uras-Mogoro, Abholung arrangieren

Ausrüstung:
Fahrradverleih mit ausgezeichneten Mountainbikes in Oristano, Abstellplätze für Wohnmobile, geführte Touren mit Gepäcktransfer auf Anfrage. GPS-Tracks auf der Homepage des Bike Festivals. Bei Teilnahme am Bike Festival an Beleuchtung, Werkzeug, Schlafsack, warme Sachen denken.

Übernachtung: Die Rundstrecken des MyLand Bike Festivals können vom Startort in Villa Verde oder auch von beliebigen Etappenorten aus gestartet werden. Teilnehmer des Bike Festivals können am Startort im Schlafsaal und in einigen Checkpoints ebenfalls in Schlafsäcken übernachten. Während des übrigen Jahrs stehen Agriturismos und Alberghi Diffusi in kleinen Dörfern zur Wahl. Tipps: Albergho Diffuso Il Mandorlo, 09090 Baressa (OR);  Agriturismo „Su Massaiu“, 09020 Turri (CA)

Web:

MyLand Mountainbike Festival
www.mylandbikefestival.it

Reiseinformationen der Italienischen Zentrale für Tourismus – ENIT Deutschland

Reiseinformationen der Italienischen Zentrale für Tourismus – ENIT Österreich

Alle GPS Tracks zum Download:

GPS-Track der Vorjahrsausgaben

www.mylandbikefestival.it/tracce-gps/

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Biken Outdoor

Schlaflos auf Sardien: MyLand Mountainbike nonstop

Bis zu 440 Kilometer und 10.000 Höhenmeter Mountainbiken nonstop: MyLand an der Westküste Sardiniens ist ein echtes Abenteuer. Ein Mountainbike-Marathon vom Morgengrauen bis zum Mondschein. Wildpferde in der heißen Mittagssonne oder Pasta-Party nachts um zwei? Wer das ursprüngliche Sardinien entdecken und ein echtes Abenteuer erleben will, sollte sich das Myland Mountainbike Festival Ende April im Kalender dick anstreichen.

Das MyLand MTB Non Stop Bike Festival ist eine Idee, die in der Marmilla an der Westküste Sardiniens, vierzig km von Oristano, entstand, um die bezaubernde Bergregion aktiven Gästen bekannt zu machen.  Die Marmilla ist eine äußerst dünn besiedelte Landschaft, wo sich Sardinien natürlich entdecken lässt. Von sanften Hügeln geprägt, ragen auch sportliche Berge hervor: Das Naturreservat Monte Arci (812 m), die Giara di Gesturi (609 m) mit seinen Wildpferden und Ausläufer des Gennargentu.

Drei sportliche Streckenprofile von 120 bis zu über 400 Kilometern: Das sind die Eckdaten des MyLand Bike Festivals. Was sich noch aufregender liest, ist die dabei akkumulierte Kraxlerei: Von Anfang an waren dies 2.500, 5.000 oder 10.000 Höhenmeter. Vom ersten Jahr an war das Myland Bike Festival ein Event, das die Ausdauer der Teilnehmer auf die Probe stellte. Von Anfang an gab es Teilnehmer, die aufgaben. Dennoch hat sich die Anzahl der Teilnehmer seit der ersten Auflage jährlich in etwa verdoppelt: 2015 waren es 60, 2016 schon 120 und 2017 nahmen bereits 166 Mountainbiker am MyLand Mountainbike Festival teil.

Frühling in der Marmilla Foto (c) MyLand / Marcello Olla

Drei Tage, hunderte von Kilometern, meilenweit absolute Wildnis, Verlass nur auf den GPS-Track: Das MyLand Bike Festival ist ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt. Wer einmal am MyLand MTB Festival teilnimmt, wird schnell Teil einer einzigartigen Gemeinschaft, die sich auf kniffligen Trails im Dickicht der mediterranen Macchia oder inmitten leuchtend roter Felder aus Süßklee, der so typisch für die Marmilla ist, meist ganz automatisch  entwickelt.

Fünf Eigenschaften werden von den Organisatoren für einen Erfolg am MyLand Bike Festival stets  hervorgehoben: Hartnäckigkeit, Geschicklichkeit, Mut, Kraft, und Zusammenhalt. Wer sich die 400 Kilometer zutraut, sollte darauf gefasst sein, über 50 Stunden im Sattel zu sitzen und für eine Top-Platzierung auch nachts in die Pedale zu treten. Gewiss ist, dass auch nachts um drei Checkpoints offen sind, die Pasta zubereiten oder Platz für ein Nickerchen bieten.

Einen der ersten Plätze auf dem MyLand Mountainbike Marathon belegt aber nur, wer quasi nonstop durchbiked. „Ich habe nur vier Stunden ausgeruht, aber könnte sofort wieder starten“, erzählt Piero, angetreten auf den vollen 400 km. Als einer der „Senatoren“ hat er an allen drei bisherigen Ausgaben von MyLand erfolgreich teilgenommen. Eigentlich habe er es dieses Mal gemütlich angegangen, das nächste Mal will er erst so richtig durchstarten.

Pfeilschnell, widerstandsfähig und mit goldenen Reflexen ausgestattet sollte man in der Tat sein, um einen der ersten Plätze dieses in ganz Italien einzigartigen Bike-Events zu erobern. Konzentration erfordert nicht nur die Aufmerksamkeit auf die in allen Varianten technisch anspruchsvollen Trails des Marathons, sondern auch aufs GPS-Gerät, welches zumeist alleinige Orientierung bietet. Mancherorts ist gar kein Weg zu erkennen. Der Blick streift im Abschnitt bei Nureci hinter jedem Gebüsch ins GPS. Zur Sicherheit ist jedem der Rat zu geben, vor dem Start nochmal das GPS und die Halterung zu checken, damit es nicht Lost in Sardegna heißt. Zu empfehlen ist die Teilnahme in einer Gruppe, dennoch treten öfters auch Biker alleine an.

On the Trail – 120 km MyLand Mountainbike nonstop

Sicher mutig war es, das MyLand Bike Festival, von dem ich kurz zuvor auf der FREE Messe erfuhr,  gleich zum ersten Mal alleine auf 120 km anzutreten. Doch alleine bleibt man nicht lange. Wer sich in den Sattel schwingt und sich dem Abenteuer MyLand in der märchenhaften Marmilla stellt, wird Teil einer einzigartigen Gemeinschaft, der er als „MyLander“ fortan angehört und damit der Region fürimmer im Herzen verbunden bleibt.

Herausforderungen lassen speziell fern der Heimat oft nicht lange auf sich warten. Schon in der zweiten steilen Passage der 120 km kurz nach dem Start um 14 Uhr in Villa Verde ist es soweit. Eine Abzweigung verpasst, wenige Meter abseits des Tracks ist blitzartig der Reifen platt. Schnell gefixt, wartet kurz darauf die nächste Überraschung. Das GPS macht sich selbständig und fällt vom Lenker herunter. Doch ohne den Track zu checken, hat man sich blitzschnell verfahren.

Meeting some good friends on the trail, you never can fail: “Skall aus” aus Oristano Foto:  Heilmann

Eine Gruppe passionierter Mountainbiker aus Oristano hilft mir aus der Patsche. Die nette Gruppe lerne ich am Aufstieg kennen und treffe sie später glücklicherweise gleich wieder, als sie mir nach einer weiteren gut versteckten und eben verpassten Abzweigung entgegen kommen. Glück gehabt!  Es sind „Skall aus“ aus dem benachbarten Oristano, die mich zum nächsten Checkpoint begleiten. Grazie a Michaelangelo hält mein GPS wieder fest. Tape auf dem Trail ist ein toller Tipp. Lesson 1: With good friends on the trail, you never can fail.

Ankunft in Assolo in der Abenddämmerung. 43 km geschafft. Hier am Checkpoint erwartet mich mein Nachtquartier bei Francesca. Ein herzlicher Empfang mit köstlichem Kuchen, einer warmen Dusche, gemeinsamer Pasta-Party am Kamin und Plauderei mit der Familie. Schnell falle ich ins Bett.  Für die tapferen sardischen Biker aus Oristano ist erst Halbzeit. Sie radeln gegen 21 Uhr nach kurzer Rast weiter zum nächsten Checkpoint Baradili, der erst nach 86 Kilometern folgt. Das hätte ich wohl nicht mehr geschafft. Lesson 2: You´re never lost with a good host.

Am nächsten Morgen um sechs sitz auch ich schon wieder im Sattel. Es sind nicht viele Grade über 0. Francesca vom Checkpoint reicht mir noch eine Tasse heißen Tee zum Wärmen. Da sich niemand meiner Stopstrategie angeschlossen hat, bin ich heute navigationstechnisch auf mich allein gestellt. Schon nach den ersten Kilometern bekomme einen Eindruck davon, was die Biker aus Oristano in der Nacht zuvor noch geleistet haben. Auf einem Feldweg zweigt ein kleiner Trail ab, den ich im Morgengrauen verpasse und erst wenige Hundert Meter später nach Kontrolle des GPS entdecke. Etwas später bei Nureci folgt schließlich ein Abschnitt, wo überhaupt kein Weg mehr ersichtlich ist. Doch aufs GPS ist Verlass. Sicher führt es über ein kleines Gatter hinaus aus dem Wirrwarr. Lesson 3: Don´t worry about the way, it´s going to be ok.

Bei Genoni habe ich knapp die Hälfte der 120 km-Rundstrecke erreicht. Der Wasserstand in der Trinkflasche bereitet mir Sorgen. Wer weiß, wo Sardinien wieder frisches Wasser bereithält. So frage ich einen Mann im Garten, dem ich begegne. „Oggi domenica“ erinnert er mich. Er  winkt mich in eine Einfahrt, wo ich herzlichst bewirtet werde. Sardische Gastfreundschaft! Fix Mineralwasser, Kekse, Kuchen, Wildschweinsalami, Pecorino und Äpfel hinzu gepackt. „Graaazie mille!!!“ Die Marmilla zu entdecken, ist ein Geschenk.  Lesson 4: Expect unexpected.

Foto: (c) MyLand / Marcello Olla

Die folgenden dreißig Kilometer sind nun fast ausschließlich abschüssig. Einer der Gründe dafür ist, dass ich bei Nuragus auf eine stillgelegte Eisenbahnstrecke treffe, welche einst bis Villacidro führte. 70 Kilometer frühere Schmalspurbahn, herrliche Tunnel, ein Stückchen zum Rollen lassen. Bis nach Las Plassas habe ich das Vergnügen, dieser einmal bedeutenden Bahnstrecke zu folgen. Ich passiere Barumini mit seinen eindrucksvollen Nuraghen und Las Plassas mit seiner über alles thronenden Burg und dem Museum über das einstige Königreich von Arborea. Sardinien und ebenso die Marmilla ist nicht nur reich an eizigartiger intakter Natur, sondern auch reich an Ärchäologie und Jahrtausende alter Kultur, Lesson 5: The best trail is sometimes to follow the rail.

Bald darauf erreiche ich das idyllische Baradili. Sardiniens kleinste Gemeinde hat 84 Einwohner und ist doch voller Leben. Sogar ein Schwimmbad lädt zur Erfrischung ein. Am Checkpoint werde ich schon ein Weilchen erwartet. „Wann ist den Simona aus Oristano angekommen?“, frage ich. „Heut Nacht um drei“, erklärt Fabrizio bei einer Tasse frischem Kaffee und lacht. Baradili liegt am Fuße der Giara di Gesturi. Die steilen Hänge der Hochebene winken am Horizont als nächste Herausforderung. Ein reizvoller Abstecher führt ins benachbarte Baressa mit seinem Albergo Diffuso, mit Betten über die Häuser in der historischen Altstadt verteilt.

Ebenso passierte MyLand heuer auch das Naturreservat der Giara di Gesturi. Hier leben inmitten knorriger Korkeichen mal an fruchtbaren Wassertümpeln, mal in einem Meer aus weißen Blüten die „Cavallini della Giara“. Was für eine traumhafte Szenerie. Einen Ort, wo auf etwa 40 km² 600 Wildpferde grasen – das findet man weit und breit kein zweites Mal. Die bezaubernde Hochebene will allerdings erklommen werden. In der heißen Mittagssonne ist der Anstieg auf die Terrasse über der Marmilla, welche fast ein wenig märchenhaft anmutet, nicht zu empfehlen. Beim raufstrampeln werde ich von rasanten Sarden, welche 220 Kilometer (quasi doppelte Distanz) fahren, eingeholt. Lesson 6: If you want to have fun, don´t climb in the sun.

An einem Tümpel auf der Anhöhe bekomme ich schon die ersten Giara-Wildpferde zu Gesicht.  Ein Trail aus rotem Sand, der später durch die wilde Macchia führt  und dort im Dickicht noch ein paar Schiebestellen bereithält. Bereits etwas müde führt schließlich ein Trail durch den schattigen Wald hinab, und an einer Lichtung folgt sogar eine Straße. Schnell ist Albagiara erreicht. Über verträumte Feldwege erreiche ich nach den letzten Höhenmetern am späten Nachmittag Villa Verde. Herzlichst werde ich im Ziel empfangen, obwohl  über dem 24 Stunden Limit. Der schnellste Teilnehmer auf meiner 120 km Distanz war schon am Vorabend eingetroffen. 120 Kilometer und 2500 Höhenmeter in unter sieben Stunden. Die gesamten 400 Kilometer mit 10.000 Höhenmetern wurden vom Sieger des Bike-Festivals unter 43 Stunden bewältigt. Respekt. Was für mich zählt, ist angekommen zu sein. „Non mollare“ sagt der Italiener. Nicht aufgeben!

Fast ganzjährig Trail-Genuss

Ob 120 Kilometer, 220 Kilometer oder die vollen 400 Kilometer: Die Strecken und Etappen des einzigartigen Bike-Festivals in einer Ecke Sardiniens, welche noch ein echter Geheimtipp ist, lassen sich nicht nur während des Festivals, sondern das ganze Jahr über entdecken. Vom Klima sind Frühling und Spätsommer zu empfehlen. Leicht sind bezaubernde Unterkünfte gefunden. Zur Orientierung stehen die GPS-Tracks auf der MyLand Homepage jederzeit bereit.

Sardinien ist mehr als Solarium mit Strandgarnitur. Die Insel ist ein echtes Trekking-Paradies. Wer die bezaubernde Marmilla und ihre Menschen entdeckt, wird sich schnell in die Region verlieben. Spätestens wenn ein anstrengender Tag voller imposanter Eindrücke auf dem Sattel seinen entspannten Ausklang bei einem Glas Cannonau und einem guten Abendessen findet.

Sardische Spezialitäten Foto: Heilmann

Vielleicht bei Spezzatini, Malloreddus oder den für die Region typischen frittierten Seadas. Als Nachtisch zuckersüße Pippia de Zuccuru (Zuckerpuppe), Amarettus und Pani ´e Saba aus Mandeln und Wein. Sportliche Verausgabung und kulinarischer Hochgenuss: In der Marmilla liegt beides, wie in ganz Sardinien, nie weit auseinander.

INFO

Allgemein: Das MyLand Bike Festival findet jedes Jahr an vier Tagen gegen Ende April statt. Drei Strecken-Varianten stehen zur Wahl: 440 km in 72 Stunden (10000 hm), 220 km (5000 hm) in 48 Stunden, 120 km in 24 Stunden (2500 hm).

Lage: Die Marmilla ist eine Hügellandschaft im Hinterland von Oristano an der Westküste Sardiniens. Hier findet alljährlich das MyLand Nonstop MTB Bike Festival statt.

Beste Reisezeit: Besonders empfehlenswert ist natürlich Ende April, wenn das Bike Festival steigt. Die Tracks und Trails des Festivals lassen sich aber auch im übrigen Jahr abrufen und befahren. Vom Klima ist die Anreise von April-Juni oder September-November zu empfehlen.

Anreise: Flug nach Cagliari, Mietwagen oder Bahn bis Uras-Mogoro, Abholung arrangieren

Ausrüstung:
Fahrradverleih mit ausgezeichneten Mountainbikes in Oristano, Abstellplätze für Wohnmobile, geführte Touren mit Gepäcktransfer auf Anfrage. GPS-Tracks auf der Homepage des Bike Festivals. Bei Teilnahme am Bike Festival an Beleuchtung, Werkzeug, Schlafsack, warme Sachen denken.

Übernachtung: Die Rundstrecken des MyLand Bike Festivals können vom Startort in Villa Verde oder auch von beliebigen Etappenorten aus gestartet werden. Teilnehmer des Bike Festivals können am Startort im Schlafsaal und in einigen Checkpoints ebenfalls in Schlafsäcken übernachten. Während des übrigen Jahrs stehen Agriturismos und Alberghi Diffusi in kleinen Dörfern zur Wahl. Tipps: Albergho Diffuso Il Mandorlo, 09090 Baressa (OR);  Agriturismo „Su Massaiu“, 09020 Turri (CA)

Web:

MyLand Mountainbike Festival
www.mylandbikefestival.it

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GPS-Track der Vorjahrsausgaben

www.mylandbikefestival.it/tracce-gps/